Rückwärtslaufen – Blick in die eigene Vergangenheit

Bewegungslehre, Sichtweisen

Das Rückwärtslaufen ist für den Betrachter vermutlich eine der skurilen Begegnungen am Tag. Zumindest lässt der Ausdruck auf den Gesichtern der Menschen das Annehmen.

Aus philosphischer Sicht betrachtet, kann man sagen das das vorwärts Gehen / Laufen – also wenn die Augen auf das bevorstehende Ziel, den Weg zum Ziel gerichtet sind, eine in eine mögliche Zukunft gerichtete Bewegung darstellt. Wir befinden uns zu einem Zeitpunkt X in der Gegenwart an einem Standort A und sehen einen Standort B auf den wir zulaufen. Diesen Standort B erreichen wir nach einer Zeit a zum Zeitpunkt Y. Die Zeit a ist die Differenz aus Zeitpunkt Y und X. Damit haben wir uns in die Zukunft bewegt, die nun wiederum unsere Zukunft darstellt. Der Standort A an dem wir zum Zeitpunkt X waren ist nun unsere Vergangenheit. Da wir aber die Augen auf die Zukunft gerichtet hatten, als wir uns aus unserer Gegenwart fortbewegten, konnten wir unsere Vergangenheit nicht mehr betrachten. In der Erinnerung ist sie noch vorhanden. Wird aber schon durch weitere Eindrücke und andere Erinnerungen verändert.

Bewegen wir uns aber rückwärts richten wir unseren Blick auf unsere Vergangenheit. Wir sehen permanent aus einer Gegenwart in eine der möglichen Vergangenheiten und gleichzeitig in die Vergangenheit, die wir für unsere Gegenwart gewählt hatten. Weiterhin können wir sagen, dass eine unserer möglichen Zukünfte, die wir nun aus den Augen verloren haben, unbestimmt ist.  Wir bewegen uns zwar in eine Zukunft aus der Vergangenheit kommend, sehen aber unsere Vergangenheit. Diese ist sehr klar.

Soziologisch betrachtet, schafft das rückwärts Laufen etwas großartiges wie ich finde. In eigenen Feldversuchen am kilometerlangen Strand von Sylt habe ich mehrfach die Probe auf das Exempel gemacht. Zu Stoßzeiten bin ich am Strand von Wenningstedt zwischen den Rettungsschwimmerkarren rückwärts gelaufen. Dabei konnte ich beobachten, wie meine Mitmenschen achtsamer wurden. Da die Menschen realisierten, dass ich ihnen rückwärts begegne, sie also nicht sehe, sind sie mir automatisch ausgewichen. Die Menschen blieben stehen. Sie zogen ihre Füße zurück. Machten sich durch Laute bemerkbar, um im nächsten Augenblick um mich herum zu laufen. Mich würde interessieren zu sehen, was passiert wenn ganze Gruppen in den Städten rückwärts liefen.

Physologisch betrachtet lösst das Rückwärtslaufen in einem selbst eine Menge neuer körperlicher Erfahrungen aus. Gleichgewicht bekommt ein neues Empfinden. Der Fuss wird nicht mehr über die Ferse sondern über den Ballen abgerollt. Die Haptik des Untergrundes und das Gefühl im Fuß – der Tastsinn – werden benutzt um die folgenden Schritte zu setzen und zu beurteilen, wo und wie der Schritt gelegt werden muss. Die Entscheidung dafür muss durch haptische Erfahrung und nicht durch visuelle Erfahrung erfolgen. Das Gehör wird gespitzt, um die Umgebung auf herannahende Hindernisse zu untersuchen.

Wenningstedt 03.09.2014

Qi Gong – Qingshan Liu

Allgemein, Gong-Übungen

Ein wirklich großartiges Buch wurde das erste mal 1992 vom Hugendubel Verlag unter dem

Qi Gong - der chinesische Weg für ein gesundes Langes Leben

Qi Gong – der chinesische Weg für ein gesundes Langes Leben

Titel „Qi Gong – Der chinesische Weg für ein gesundes langes Leben“ vom heutigen Großmeister Qingshan Liu aufgelegt. Ich wurde durch einen Teilnehmer der Strandgymnastik in Wenningstedt-Braderup im August auf dieses Buch aufmerksam gemacht. Da mir die Aufmachung des Buches gefiel, kaufte ich den Titel. Qingshan Liu erklärt in klaren Worten. Die

Bilder und die dazugehörigen Beschreibungen erleichtern den Einstieg und das praktizieren der Gongübungen. Hier geht es zur Internetseite von Qingshan Liu

Vergleich der 13 Prinzipien nach Yang Chenfu und der 10 Prinzipien nach Yang Zhenduo

Allgemein, Bewegungslehre, Taiji Juan

An dieser Stelle vergleiche ich die Prinzipien zweier Generationen des Yang Stil – Taijiquan sowie sie an uns weiter gegeben wurden und kommentiere sie mit eigenen Gedanken, die ich im Laufe meiner weiteren Erforschung ergänze, oder vielleicht sogar gänzlich verwerfe:

„Seek stillness in movement – Suche / Suche die Bewegungslosigkeit in der Bewegung“ heisst es bei Yang Chengfu. Nach Yang Zhenduo ist die deutsche Übersetzung reduziert auf und verändert in „Die Ruhe in der Bewegung“.

Kommentar: Oberflächlich betrachtet ändert sich vielleicht nicht viel und man könnte leichtfertig von Spitzfindigkeiten sprechen, wenn man „stillness“ eben nicht mit „Ruhe“ sondern mit dem richtigen englischen Begriff „Bewegungslosigkeit“ übersetzt. Dennoch sind Bewegungslosigkeit und Ruhe nicht gleichwertige Begriffe auch wenn wir Ruhe häufig synonym verwenden, um auszudrücken das etwas unbewegt ist.

Geht es in diesem Prinzip wirklich darum den Geist zur Ruhe kommen zu lassen ? Geht es wirklich darum die Emotionen zu besänftigen ? Geht es bei diesem Prinzip wirklich um die Harmonisierung des körperlichen Gleichgewichts ?

Vielleicht versteckt sich hier mehr eine Eselsbrücke für den Praktizierenden, die ihn daran erinnert, dass in Bewegungen der Taille wie im Übergang von „Schützen nach rechts“ zu „Ziehen“ beispielsweise, die Arme und die Hüfte unbeweglich bleiben sollen. Dennoch bewegen sich die Arme und die Hände um nahezu 1m auf einer Kreisbahn um die Körperachse durch Drehung der Taille. Betrachtet man den Übergang von der Figur „Peitsche“ in die Figur „Hände heben“ werden auch hier die Arme durch die Rotation der Taille bewegt. Ausserdem werden die Füße, d.h. die Beine ebenfalls durch die Taillendrehung und Gewichtung in Bewegung versetzt. Dennoch sind die angesprochenen Körperteile unbewegt.

Durchaus wäre eine strategische Botschaft für den Nahkampf hier auch denkbar. Ein regloses Körperteil im bewegten Körper könnte auch mit einer Art Steifheit gleichgesetzt werden. Steifheit eines Körperteiles führt häufig zu einer Verkettung von der umgebenden Muskulatur und den verbindenden Gelenken. Dieses Körperteil im Kontrahenten zu suchen, könnte einen entscheidenden strategischen Vorteil bringen. Allerdings sei gesagt, dass wir uns hier bereits in der Ringer-Distanz, also Würfe, Griffe, Hebel und Locks, befinden.

In jedem Yang findet sich auch ein Yin. Ist Yang vollendet, war Yin bereits da. Ist Yin abgeschlossen, hat Yang längst begonnen.

Die dreizehn Prinzipien des Taijiquan nach Yang Chenfu

Allgemein, Taiji Juan

Generally speaking, there are thirteen important points in taijiquan. These are:

  • Sink the shoulders and drop the elbows;
  • contain the chest and pull up the back;
  • the qi sinks to the dantian;
  • an intangible energy lifts the crown of the head;
  • loosen the waist and kua;
  • distinguish empty and full;
  • upper and lower follow one another;
  • use mind intent, not strength;
  • inner and outer are united;
  • intention and qi interact;
  • seek stillness in movement;
  • movement and stillness are united;
  • proceed evenly from posture to posture.

These thirteen points must be attended to in each and every movement. One cannot neglect the concept of these thirteen points within any of the postures. ( Quelle: Yang Chengfu, The Essence and Applications of Taijiquan – translated by Louis Swaim, Kindle-Edition, S.11 )

Orientierungssystem im Raum

Bewegungslehre, Rolfing

Im Buch „Rolfing – Wie sie ihren Körper ins Lot bringen“ schreibt Hubert Godard auf S.141 in der Einführung des Kapitels Verbesserung der sensorischen Dynamik über den Orientierungsvorgang im Raum und beschreibt die zwei Systeme, die dem Vorgang zu Grunde liegen.

Es gibt zwei Systeme, die Organismen nutzen um sich am Schwerkraftfeld der Erde auszurichten:

  1. visuelle Orientierung – genannt Raumorientierung
  2. taktile Orientierung – genannt Substratorientierung

Bei der Raumorientierung sucht sich das Auge einen senkrechten Gegenstand in der Umgebung als Bezugspunkt, während sich die Substartorientierung des Tast- und des Gehörsinns bedient um den menschlichen Körper im Schwerkraftfeld der Erde senkrecht auszurichten.

Aus diesen zwei unterschiedlich wirkenden Systemen ergeben sich unterschiedliche Handlungspotenziale:

Die Fähigkeit zum Tragen, Wegstoßen und Kämpfen wird durch die Substratorientierung und die Fähigkeit zum Reichen oder in eine Richtung zu zeigen durch die Raumorientierung gefördert, so Hubert Godard.

Godard progonstiziert ein besseres Gleichgewicht und eine verbesserte Atmung durch die Erweiterung des Bewegungspotenzials, wenn die Fähigkeit beide Orientierungssysteme zu nutzen, erworben wird.

Welchen Typ der Orientierung nutzt Du ? Bist Du ein Mensch der sich visuell am Raum orientiert oder nutzt Du deinen Tastsinn und dein Innenohr um dich am Substrat zu orientieren ?

Stell Dich auf ein Bein und schließ die Augen. Fällt es Dir leicht bei geschlossenen Augen auf einem Bein zustehen ? Dann nimmst Du Deine Ausrichtung im Raum eher über das Substrat wahr. Wird es einfacher wenn Du deine Augen öffnest ? Dann richtest DU dich wohl eher visuell im Raum aus.

Hier könnt Ihr mir euer Ergebnis mitteilen.

Ist das Dantian eine Bindegewebsschicht ?

Allgemein, Gong-Übungen, Rolfing

Seit einigen Tagen brennt mir diese Frage auf den Nägeln. Daher habe ich zunächst in einem anderen Beitrag so gut ich konnte das Dantien erläutert und auch zu verstehen gegeben, dass es sich bei dem Dantian bislang mehr oder weniger um einen visualisierten Bereich unseres Körpers handelt, der nach streng wissenschaftlichen Methoden nicht belegbar ist.

Da die chinesische Sprache und Schrift sehr bildhaft ist und zuweilen sehr mystisch, märchenhaft wirkt, legt sich mir die Vermutung nah, dass man bei Übersetzungen mehr interpretierte als da wirklich war, nämlich die Realität. Ein Beispiel aus Frieder Anders Buch „TAICHI – Grundlagen der fernöstlichen Bewegungskunst“ auf Seite 80 verdeutlicht vielleicht meine Vermutung: “ Eine weitere wichtige Säule der chinesischen Medizintheorie stellt die Meridianlehre (ching-lo hsüeh) dar. Auch hier erweist es sich wieder als nützlich, von der Zeichenbedeutung auszugehen, um den tiefern Inhalt des Begriffs „Meridian“ zu erfassen.

Von alters her werden die Meridiane ching-lo genannt. Das Zeichen ching bedeutet in seiner Urform

Kettenfaden eines Gewebes„…. Das Zeichen lo bedeutet „Netzwerk“ oder „Gewebe“ und kann verbal die Bedeutung „vereinigen“ und „verbinden“ haben.

In der zeitgenössichen chinesischen Medizintheorie werden mit dem Begriff ching

2500 Jahre alte Tafel mit allen "Meridianen" und Akkupunkturtafeln

2500 Jahre alte Tafel mit allen „Meridianen“ und Akkupunkturtafeln

die Hauptmeridiane bezeichnet, mit dem Begriff lo dagegen die Nebengefäße und Seitenarme, durch welche die Hauptmeridiane und ihre Energiepunkte miteinander verbunden sind. …

Nimmt man nun die Erkenntnisse Dr.Ida Rolfs und der Rolfer über die Funktion des Bindegewebes im menschlichen Körper, das aus einzelnen „Fäden“ ein organisches Netzwerk bildet, dass die Organe, die Knochen und Muskeln in Position hält einerseits und belässt die Begriffe ching und lo in ihren ursprünglichen Bedeutungen, nämlich „Kettenfaden eines Gewebes“ und „Netzwerk“, liegt die Vermutung nahe, dass die traditionelle chinesische Medizin einen ihrer wichtigsten Strategien zur Erhaltung der Gesundheit und zur Genesung im gesamten Netzwerk des Bindegewebes findet. Meridiane sind damit nicht mehr metaphysische Erscheinungen, die wie ein unsichtbarer Mantel außerhalb des physikalischen Körpers liegen.

Jean Pierre Barral – französicher Osteopath – hatte vor mehr als 20 Jahren erkannt, dass sich erkrankte Organe auf die Wirbelsäulengelenke auswirken. Er entdeckte, dass es für jedes Organ eine klar vorgegebene Bewegungsachse gibt, um die sich das Organ bewegt. Jedes Organ ist von einer Bindegewebsschicht umhüllt, die sich an einzelnen Stellen zu Bändern formt, um das Organ in der Körperhölung zu befestigen. So ist die Leber beispielsweise an der Bindegewebsschicht des Zwerchfells aufgehängt. Es gibt aber neben der Hüllschicht um das Organ eine weitere Schicht, eine flüssige Gleitschicht. Diese ermöglicht die Bewegung der Organe im Verhältnis zueinander. („Rolfing – Wie Sie Ihren Körper ins Lot bringen“ von Peter Schwind, S. 107) Durch unsere Atmung drückt das Zwerchfell auf die Organe in der Bauchhöhle. Wohin sich die Organe bewegen, hängt davon ab wo die Bandbefestigungen der Organe sind. Außer der Bewegung, die durch die Atmung verursacht wird, gibt es eine weitere zyklische Organbewegung, die Barral Motalität bezeichnete. Sie ist gering, stammt laut Barral aus der Embryonalzeit und vermutlich erinnern sich die Organe an diese Bewegung und führen diese immer wieder durch.

Was hat das alles nun mit dem Dantian zu tun ?

Jede Körperhölung besitzt wie wir heute wissen Bindegewebsschichten, die miteinander vernetzt sind und kleinste Spannungen, Torsionen, Bewegungen aus dem inneren des Schädels bis in den kleinen Zeh transportieren und anders herum (siehe “Rolfing – Wie Sie Ihren Körper ins Lot bringen” von Peter Schwind). In dem Beitrag zum Dantian hatte ich erläutert, dass in jeder „großen“ Körperhölung, also Schädel, Brust und Bauch, jeweils Sitz eines Dantians ist.

Wenn nun auch das Dantian kein metaphysisches Konzept sondern ganz konkret eine Bindegewebsschicht ist, also beispielsweise die endothorakale Faszie, die Innenauskleidung des Brustraums, die mit den großen Hüllschichten des Beckens verbunden ist usw., die wir durch bestimmte Übungen aktivieren könnten ? Wären dann Qi-Gong-Übungen eine Methode unser Bindegewebe und damit unsere mit dem Bindegewebe verbundenen Organe beweglich und kraftvoll zu halten ?

In „Wu – ein Deutscher bei den Meistern in China“, von Maik Albrecht und Frank Rudolph schreibt Albrecht auf Seite 315: „Wenn ich mit Meister Li unterwegs bin, beobchtet mein Lehrer die Menschen sehr genau. Begegnen wir alten Menschen, die sich ganz offensichtlich keiner guten Gesundheit erfreuen, weist er mich auf ihren schlechten Unterbau hin. Ist der dipan instabil, werden Körper und Geist darunter leiden. … Die Bewegungsmöglichkeiten sind eingeschränkt, und andere Teile des Körpers werden wie in einer Kettenreaktion sehr wahrscheinlich nach und nach davon betroffen sein…..Mehrere Meister haben mich schon darauf hingewiesen, dass der gesamte Hüftbereich extrem wichtig sei. Hier ist ein wichtiges Kontrollzentrum des Körpers.“

DAN TIAN – Dantian

Gong-Übungen, Taiji Juan

Mystik, Glaube oder Wissen. Wie erklärt man ein Phänomen, das in einem Teil der Welt Realität ist und doch für den Rest der Welt nicht fassbar scheint – noch nicht !? Das Dantian stellt den Menschen, der sich mit Tai Chi Chuan, dem Qigong oder einer anderen Kampfform ernsthaft beschäftigt vor eine große Herausforderung: zunächst muss man sich auf die Existenz einer im Körper befindlichen Struktur, eines „Energiezentrums“, manchmal findet man auch den Versuch es als eigenständiges Organ zu beschreiben, einstellen. Dann muss man akzeptieren, dass sich dort das Energiezentrum, der Schwerpunkt, also der Hauptsitz unserer Kraft befindet. Weiter muss man in diesem Dan Tian die Kraft sammeln und dorthin lenken, wo man sie braucht; und zu guter letzt setzt beispielsweise der Chen Stil des Taiji Chuans eine bewusste Rotation im und entgegen des Uhrzeigersinns vorraus, um den Stil der spiralförmigen Bewegungen „korrekt“ zu erlernen.

Die westliche Anatomie kennt das Dan Tian nicht. Als Organ ist es weder lokalisierbar noch fassbar,

mittleres Dantian als Mondsichel unteres Dantian als Schmelztigel

mittleres Dantian als Mondsichel
unteres Dantian als Schmelztigel

geschweige denn das es jemals ein Mensch zu gesicht bekommen hätte. Trotzdem deckt sich zu 99% die Lokalisierung des Dan Tians in nahezu jeder Literatur. Es befindet sich ca. 3-4 Fingerbreit unterhalb des Bauchnabels innerhalb der Bauchhöhle am Rückgrat. „…, the dan tian refers to what is actually the lower dan tian in Chinese medicine: a point about three fingers below the navel and about a third of the way in toward the spine.“ schreibt Mark Chen in „Old Frame Chen Family – Taijiquan“ auf Seite 50. Warum eigentlich „lower dan tian“ ? Gibt es auch ein „higher dan tian“ , also ein oberes ? Diese Frage ist eindeutig zu bejahen ! Nach Auffasung der Traditionellen Chinesischen Medizin gibt es sogar zwei weitere Dan Tian: Jedes dieser Dan Tian befindet sich in einer weiteren Körperhöhlung. Das bedeutet das nächsthöhere, mittlere befindet sich in der Brusthöhle, hinter dem Solarplexus, dem Sonnengeflecht. Das letzte also das oberste hat seinen Sitz im Schädel, in der Kopfhöhlung und wird hinter der Stirn lokalisiert. „Expert Taiji practitioners actually have a distinct „ball“ of muscle in their abdomen that they can move around at will.“, so Mark Chen weiter. Maik Albrecht steht dem Dantian sehr skeptisch gegenüber. Dabei beruft er sich auf die Haltung Bruce Lee´s der „mystischen Kraft“ aus der unteren Bauchregion, die zu sehr als Wundermittel glorifiziert wurde, nichts geheimnisvolles beimessen wollte. „Dabei ist überhaupt nichts Geheimnisvolles daran. Der dantian ist die Schaltstelle der Energie unseres Körpers. Seine Lage und seine Eigenschaften ergeben sich auf natürliche Weise aus unserer Anatomie. Das wusste auch Meister Lee sehr genau.“ so Maik Albrecht in „Wu – ein Deutscher bei den Meistern in China“ Seite 307.

Jan Silberstorff wiederum schreibt in „Chen: Klassisches Taijiquan im lebendigen Stil“ auf Position 929 eKindle Edition: “ Yin-Energie aus der Erde und Yang-Energie aus dem Himmel verschmelzen zusammen im Dantian. Der Körper ist entspannt und gesunken, ruhig und gesammelt. Dann – wenn Yin und Yang miteinander verschemelzen – schießt die Kraft vereint nach außen. So das Bild. Wir lernen in der Taijiquan-Form, innere Energie zu entwickeln und im Körper kreisen zu lassen. “ Auf Position 3131 kommt folgendes zum Ausdruck: „Dies im Kleinen könnte auf äußerster Ebene als unser inneres Wuji bezeichnet werden. es ist unser Zentrum, unser Dantian. Hier entspringt alle Bewegung, alles Leben; alle Energien finden hier ihre Sammlung und ihren Ursprung.“

Mark Chen liefert in seinem Buch auf S.51 eine Anleitung darüber wie das Dantian lokalisiert und trainiert werden kann. Er schreibt: „Now you must try to find your dantian. One way to do this is to contract- gently – the muscles of the perineum (the sphincter and urogenital muscles) and imagine them converging to a point inside your body. Your subjective perception of that point corresponds to the location of the dantian. Be certain that you do not strain as you do this.“ – Jetzt versucht man das Dantian zu finden. Eine Möglichkeit ist die sanfte Kontraktion der Dammmuskulatur wobei man sich vorstellt, wie diese in einem Punkt im Körperinneren zusammenlaufen. Die subjektive Wahrnehmung dieses Ortes korrespondiert mit der Lage des Dantian. Überlaste während der Ausführung die Muskulatur nicht zu stark.

Wer eine gute Körperwahrnehmung besitzt, fühlt vielleicht, wie sich beim „hinaufziehen“ der Dammmuskulatur das Zwerchfell senkt und ebenfalls anspannt, babei wird die Bauchhöhle verkleinert und die darin befindlichen Organe erfahren eine leichte Konzentration.

Im weiteren Verlauf seiner Ausführung beschreibt Mark Chen das die Hände, das Gewicht und der Atem den zunächst gegen den Uhrzeigersinn und anschließend dem Uhrzeigersinn laufenden Bewegungen des Dantian folgen.

Frieder Anders erwähnt auf Seite 102 seines Buches „TAICHI – Grundlagen der fernöstlichen Ch´i Fluss Bewegungskunst“ ein medizinisches Traktat aus dem 17.Jahrhundert: „Nachdem man reines ch´i durch die Nase eingeatmet hat, lenkt man es mit Hilfe der Sehkraft und des Speichels zum unteren tan t´ien und hält es dort etwas fest. Das bedeutet einmal einatmen. Indem man den Aftermuskel leicht anzieht, läßt man ch´i mit Hilfe der Vorstellung und der Sehkraft durch den Lenker-Meridian hochsteigen, vom Steißbein (unteres Tor) über das mittlere Tor und das Jadekissen (oberes Tor) zum nao kung (Gehirnpalast). Das bedeutet einmal ausatmen. Wenn man dies unablässig übt, dann wird die Lebenskraft (chin sheng) stark und blühend, und die 100 Krankheiten können nicht entstehen.“ (Anmerkung: Viele ursprünglich chinesische Texte sind in die englische Sprache und anschließend in das deutsche übersetzt worden, daher

ergeben sich häufiger als einem recht ist, Übersetzungsfehler. Ich denke, was hier mit „Sehkraft“ bezeichnet ist meint eigentlich Visualisierung und damit eher

Kosmischer Kreislauf

Kosmischer Kreislauf

eine Art Vorstellungskraft bei der die Augen die Bewegung des Ch´i verfolgen.)

1. Qian Tui Ba Pi Ma (Die Acht Pferde vorwärts schieben)

Gong-Übungen
  • Ausgangsstand oder Stand der Wahl einnehmen
  • Die Hände mit den Handflächen zueinander, neben dem Körper, auf Höhe der Brustwarzen, mit gebeugten Ellbogen platzieren Hände neben
  • Die vier Finger jeder Hand eng zusammendrücken und den Daumen weit spreizen. Langsam und kraftvoll die Arme Strecken bis die Handflächen und Schultern auf einer Höhe sind. Die Brust leicht vorschieben ohne den Kopf zu bewegen. Natürlich weiter atmen.
  • Die Ellbogen beugen und die Handflächen an die Ausgangsposition zurückbringen nach unten, dann an der Endposition angekommen, nach hinten drücken
  • Handflächen nach unten drehen und die Arme zunächst
  • Zurück in die Ausgangsstellung

Aus : Shao Lin Nei Gong – Übersetzung aus dem Englischen von Ali-Reza Djassemi aus dem Buch: “ Illustrations of Chinese Traditional Exercises in Tuina“ – Die Übersetzung ist als PDF oder als geklammertes Heft verfügbar. Preis: 7,-€ zzgl. Versand bei physikalischer Bestellung.

 

2. Dao La Jiu Tou Niu (Die Neun Ochsen nach hinten ziehen)

Gong-Übungen
  • Ausgangsstand oder Stand der Wahl einnehmen
  • Die Hände mit den Handflächen aufwärts zeigend, neben dem Körper, auf Höhe der Brustwarzen, mit gebeugten Ellbogen platzieren Hände oben
  • Die vier Finger jeder Hand eng zusammendrücken und den Daumen weit spreizen. Die Arme mit einer einwärts rotie- renden Bewegung vorwärts schieben bis sie vollständig gestreckt sind. In der Endposition zeigen die Daumen zum Boden; Handgelenke und Ellbogen sind auf Schulterhöhe
  • Die Hände zur Faust formen. Der Daumen liegt auf dem Zeigerfinger auf. Die Faust ist angespannt als hielte man etwas kraftvoll. Der Fokus liegt auf der Kraft in den Hand- gelenken, die dann rotiert werden bis der Daumen zum Himmel weißt. Gleichzeitig zieht man die Arme kraftvoll zurück bis die Handflächen wieder an der Körperseite an- gekommen sind. Den Körper ein wenig nach vorne schie- ben und das Gesäß anspannen
  • Fäuste öffnen – Handflächen nach unten drehen und die Arme zunächst nach unten, dann an der Endposition ange- kommen, nach hinten drücken
  • Zurück in die Ausgangsstellung
Aus : Shao Lin Nei Gong – Übersetzung aus dem Englischen von Ali-Reza Djassemi aus dem Buch: “ Illustrations of Chinese Traditional Exercises in Tuina“ – Die Übersetzung ist als PDF oder als geklammertes Heft verfügbar. Preis: 7,-€ zzgl. Versand bei physikalischer Bestellung.

Der Stammbaum des Yang Stils

Taiji Juan

Die Geschichte des Taiji Juan ist nebulös. Die Literatur und die Fachleute sind sich nicht wirklich einig. Sicher scheint nur das die Quelle des Yang, Sun und Wudan Stil des Taiji Juan im Ch´en Stil liegt. Die Stile sind Familienstile und wurden ausschließlich innerhalb der Familie weitergegeben. Yang Lu-Ch´an beobachtete den berühmten Taichi Meister Ch´en Chang-Hsing heimlich während des abendlichen Unterrichts. Er hatte sich als taubstummer Diener ausgegeben, um in der Nähe des Meisters zu sein. Nach vielen Jahren des heimlichen Trainings wurde er entdeckt. Er wurde Prüfungen unterzogen und erwies sich als fähig um unterrichtet zu werden. Später erhielt er den Beinamen „Yang, der nicht kämpft“. Er unterrichtet später am kaiserlichen Hof, wo er den YANG-Stil entwickelte, der im wesentlichen Elemente des Schiebens, Drückens und Ziehens beinhaltet. Diese Form ist für großleibige Menschen mit wenig Beweglichkeit und Geschicklichkeit konzipiert, wie die Feudalherren am kaiserlichen Hof. Heute wird der Yang Stil noch immer durch den Erben Yang Lu-Ch´ans Yang Zhenduo einerseits und bis 1985 von dem anderen Urgroßenkel Yang Shou-Chung vermittelt.