Vergleich der 13 Prinzipien nach Yang Chenfu und der 10 Prinzipien nach Yang Zhenduo

Allgemein, Bewegungslehre, Taiji Juan

An dieser Stelle vergleiche ich die Prinzipien zweier Generationen des Yang Stil – Taijiquan sowie sie an uns weiter gegeben wurden und kommentiere sie mit eigenen Gedanken, die ich im Laufe meiner weiteren Erforschung ergänze, oder vielleicht sogar gänzlich verwerfe:

„Seek stillness in movement – Suche / Suche die Bewegungslosigkeit in der Bewegung“ heisst es bei Yang Chengfu. Nach Yang Zhenduo ist die deutsche Übersetzung reduziert auf und verändert in „Die Ruhe in der Bewegung“.

Kommentar: Oberflächlich betrachtet ändert sich vielleicht nicht viel und man könnte leichtfertig von Spitzfindigkeiten sprechen, wenn man „stillness“ eben nicht mit „Ruhe“ sondern mit dem richtigen englischen Begriff „Bewegungslosigkeit“ übersetzt. Dennoch sind Bewegungslosigkeit und Ruhe nicht gleichwertige Begriffe auch wenn wir Ruhe häufig synonym verwenden, um auszudrücken das etwas unbewegt ist.

Geht es in diesem Prinzip wirklich darum den Geist zur Ruhe kommen zu lassen ? Geht es wirklich darum die Emotionen zu besänftigen ? Geht es bei diesem Prinzip wirklich um die Harmonisierung des körperlichen Gleichgewichts ?

Vielleicht versteckt sich hier mehr eine Eselsbrücke für den Praktizierenden, die ihn daran erinnert, dass in Bewegungen der Taille wie im Übergang von „Schützen nach rechts“ zu „Ziehen“ beispielsweise, die Arme und die Hüfte unbeweglich bleiben sollen. Dennoch bewegen sich die Arme und die Hände um nahezu 1m auf einer Kreisbahn um die Körperachse durch Drehung der Taille. Betrachtet man den Übergang von der Figur „Peitsche“ in die Figur „Hände heben“ werden auch hier die Arme durch die Rotation der Taille bewegt. Ausserdem werden die Füße, d.h. die Beine ebenfalls durch die Taillendrehung und Gewichtung in Bewegung versetzt. Dennoch sind die angesprochenen Körperteile unbewegt.

Durchaus wäre eine strategische Botschaft für den Nahkampf hier auch denkbar. Ein regloses Körperteil im bewegten Körper könnte auch mit einer Art Steifheit gleichgesetzt werden. Steifheit eines Körperteiles führt häufig zu einer Verkettung von der umgebenden Muskulatur und den verbindenden Gelenken. Dieses Körperteil im Kontrahenten zu suchen, könnte einen entscheidenden strategischen Vorteil bringen. Allerdings sei gesagt, dass wir uns hier bereits in der Ringer-Distanz, also Würfe, Griffe, Hebel und Locks, befinden.

In jedem Yang findet sich auch ein Yin. Ist Yang vollendet, war Yin bereits da. Ist Yin abgeschlossen, hat Yang längst begonnen.

YIN und YANG ?!

Yin und Yang

Um die Idee von Yin und Yang zu vermitteln, brauchen wir nicht in die Ferne zu schweifen.

Wenn wir in einem stillen Tümpel den Grund aufwühlen, entspricht die Handlung YANG. Das Wasser wird durch die Schwerkraft, die den schwebenden Schlamm auf den Grund des Tümpels zieht wieder klar, was YIN entspricht. Wir können nicht das Wasser im Tümpel aktiv klären und wieder beruhigen.

Ein weiteres Beispiel liefert das Ausbringen der Saat durch den Bauer auf dem Feld. Das Sähen entspricht YANG. Wir können zwar die Umstände des Wachstums positiv beeinflussen, jedoch können wir das Wachstum der Pflanzen an sich nicht erzwingen. Auch hier geschieht es ohne unser Zutun, was wiederum YIN darstellt.

Das Leben ist voll dieser Beispiele. Erst kürzlich traf ich auf der AIDA Bella, auf der ich vier Monate arbeitete einen Jungen Mann aus der Slowakei, der mit Anfang vierzig entschieden hatte, sein berufliches Leben zu verändern. Er hatte sich von einem auf den anderen Tag von seinem Büroalltag verabschiedet und war Musiker geworden. Im Zuge seiner Entscheidung erhielt er ein Engagement als Musiker auf der Bella und war zunächst völlig überwältigt von dem sich so abrupt vollziehenden Wandel und dem einhergehenden Gefühl, das er dachte, dass die Aufregung anhalten müsste. Doch als sich der Alltag einstellte – täglich 3-4 Stunden Konzert und 1 -2 Stunden Übung – wurde seine Euphorie gedämpft und er erzählte mir in einem langen Gespräch das ihm das Gefühl verloren ginge und er sich davor fürchte.

Er hatte viel Yang initiert war aber nun nicht in der Lage mit dem sich anbahnenden Yin umzugehen, was eine natürliche Folge des Kreislaufs ist. Nach unserem Gespräch in dem ich ihm von dem Tümpel erzählte, war er nicht mehr entmutigt. Er erkannte, dass er souverän die Phase seines neues Lebens „klingen“ lassen muss, um den nächsten Abschnitt wieder mit Kraft weitergehen zu können.