Orientierungssystem im Raum

Bewegungslehre, Rolfing

Im Buch „Rolfing – Wie sie ihren Körper ins Lot bringen“ schreibt Hubert Godard auf S.141 in der Einführung des Kapitels Verbesserung der sensorischen Dynamik über den Orientierungsvorgang im Raum und beschreibt die zwei Systeme, die dem Vorgang zu Grunde liegen.

Es gibt zwei Systeme, die Organismen nutzen um sich am Schwerkraftfeld der Erde auszurichten:

  1. visuelle Orientierung – genannt Raumorientierung
  2. taktile Orientierung – genannt Substratorientierung

Bei der Raumorientierung sucht sich das Auge einen senkrechten Gegenstand in der Umgebung als Bezugspunkt, während sich die Substartorientierung des Tast- und des Gehörsinns bedient um den menschlichen Körper im Schwerkraftfeld der Erde senkrecht auszurichten.

Aus diesen zwei unterschiedlich wirkenden Systemen ergeben sich unterschiedliche Handlungspotenziale:

Die Fähigkeit zum Tragen, Wegstoßen und Kämpfen wird durch die Substratorientierung und die Fähigkeit zum Reichen oder in eine Richtung zu zeigen durch die Raumorientierung gefördert, so Hubert Godard.

Godard progonstiziert ein besseres Gleichgewicht und eine verbesserte Atmung durch die Erweiterung des Bewegungspotenzials, wenn die Fähigkeit beide Orientierungssysteme zu nutzen, erworben wird.

Welchen Typ der Orientierung nutzt Du ? Bist Du ein Mensch der sich visuell am Raum orientiert oder nutzt Du deinen Tastsinn und dein Innenohr um dich am Substrat zu orientieren ?

Stell Dich auf ein Bein und schließ die Augen. Fällt es Dir leicht bei geschlossenen Augen auf einem Bein zustehen ? Dann nimmst Du Deine Ausrichtung im Raum eher über das Substrat wahr. Wird es einfacher wenn Du deine Augen öffnest ? Dann richtest DU dich wohl eher visuell im Raum aus.

Hier könnt Ihr mir euer Ergebnis mitteilen.

Ist das Dantian eine Bindegewebsschicht ?

Allgemein, Gong-Übungen, Rolfing

Seit einigen Tagen brennt mir diese Frage auf den Nägeln. Daher habe ich zunächst in einem anderen Beitrag so gut ich konnte das Dantien erläutert und auch zu verstehen gegeben, dass es sich bei dem Dantian bislang mehr oder weniger um einen visualisierten Bereich unseres Körpers handelt, der nach streng wissenschaftlichen Methoden nicht belegbar ist.

Da die chinesische Sprache und Schrift sehr bildhaft ist und zuweilen sehr mystisch, märchenhaft wirkt, legt sich mir die Vermutung nah, dass man bei Übersetzungen mehr interpretierte als da wirklich war, nämlich die Realität. Ein Beispiel aus Frieder Anders Buch „TAICHI – Grundlagen der fernöstlichen Bewegungskunst“ auf Seite 80 verdeutlicht vielleicht meine Vermutung: “ Eine weitere wichtige Säule der chinesischen Medizintheorie stellt die Meridianlehre (ching-lo hsüeh) dar. Auch hier erweist es sich wieder als nützlich, von der Zeichenbedeutung auszugehen, um den tiefern Inhalt des Begriffs „Meridian“ zu erfassen.

Von alters her werden die Meridiane ching-lo genannt. Das Zeichen ching bedeutet in seiner Urform

Kettenfaden eines Gewebes„…. Das Zeichen lo bedeutet „Netzwerk“ oder „Gewebe“ und kann verbal die Bedeutung „vereinigen“ und „verbinden“ haben.

In der zeitgenössichen chinesischen Medizintheorie werden mit dem Begriff ching

2500 Jahre alte Tafel mit allen "Meridianen" und Akkupunkturtafeln

2500 Jahre alte Tafel mit allen „Meridianen“ und Akkupunkturtafeln

die Hauptmeridiane bezeichnet, mit dem Begriff lo dagegen die Nebengefäße und Seitenarme, durch welche die Hauptmeridiane und ihre Energiepunkte miteinander verbunden sind. …

Nimmt man nun die Erkenntnisse Dr.Ida Rolfs und der Rolfer über die Funktion des Bindegewebes im menschlichen Körper, das aus einzelnen „Fäden“ ein organisches Netzwerk bildet, dass die Organe, die Knochen und Muskeln in Position hält einerseits und belässt die Begriffe ching und lo in ihren ursprünglichen Bedeutungen, nämlich „Kettenfaden eines Gewebes“ und „Netzwerk“, liegt die Vermutung nahe, dass die traditionelle chinesische Medizin einen ihrer wichtigsten Strategien zur Erhaltung der Gesundheit und zur Genesung im gesamten Netzwerk des Bindegewebes findet. Meridiane sind damit nicht mehr metaphysische Erscheinungen, die wie ein unsichtbarer Mantel außerhalb des physikalischen Körpers liegen.

Jean Pierre Barral – französicher Osteopath – hatte vor mehr als 20 Jahren erkannt, dass sich erkrankte Organe auf die Wirbelsäulengelenke auswirken. Er entdeckte, dass es für jedes Organ eine klar vorgegebene Bewegungsachse gibt, um die sich das Organ bewegt. Jedes Organ ist von einer Bindegewebsschicht umhüllt, die sich an einzelnen Stellen zu Bändern formt, um das Organ in der Körperhölung zu befestigen. So ist die Leber beispielsweise an der Bindegewebsschicht des Zwerchfells aufgehängt. Es gibt aber neben der Hüllschicht um das Organ eine weitere Schicht, eine flüssige Gleitschicht. Diese ermöglicht die Bewegung der Organe im Verhältnis zueinander. („Rolfing – Wie Sie Ihren Körper ins Lot bringen“ von Peter Schwind, S. 107) Durch unsere Atmung drückt das Zwerchfell auf die Organe in der Bauchhöhle. Wohin sich die Organe bewegen, hängt davon ab wo die Bandbefestigungen der Organe sind. Außer der Bewegung, die durch die Atmung verursacht wird, gibt es eine weitere zyklische Organbewegung, die Barral Motalität bezeichnete. Sie ist gering, stammt laut Barral aus der Embryonalzeit und vermutlich erinnern sich die Organe an diese Bewegung und führen diese immer wieder durch.

Was hat das alles nun mit dem Dantian zu tun ?

Jede Körperhölung besitzt wie wir heute wissen Bindegewebsschichten, die miteinander vernetzt sind und kleinste Spannungen, Torsionen, Bewegungen aus dem inneren des Schädels bis in den kleinen Zeh transportieren und anders herum (siehe “Rolfing – Wie Sie Ihren Körper ins Lot bringen” von Peter Schwind). In dem Beitrag zum Dantian hatte ich erläutert, dass in jeder „großen“ Körperhölung, also Schädel, Brust und Bauch, jeweils Sitz eines Dantians ist.

Wenn nun auch das Dantian kein metaphysisches Konzept sondern ganz konkret eine Bindegewebsschicht ist, also beispielsweise die endothorakale Faszie, die Innenauskleidung des Brustraums, die mit den großen Hüllschichten des Beckens verbunden ist usw., die wir durch bestimmte Übungen aktivieren könnten ? Wären dann Qi-Gong-Übungen eine Methode unser Bindegewebe und damit unsere mit dem Bindegewebe verbundenen Organe beweglich und kraftvoll zu halten ?

In „Wu – ein Deutscher bei den Meistern in China“, von Maik Albrecht und Frank Rudolph schreibt Albrecht auf Seite 315: „Wenn ich mit Meister Li unterwegs bin, beobchtet mein Lehrer die Menschen sehr genau. Begegnen wir alten Menschen, die sich ganz offensichtlich keiner guten Gesundheit erfreuen, weist er mich auf ihren schlechten Unterbau hin. Ist der dipan instabil, werden Körper und Geist darunter leiden. … Die Bewegungsmöglichkeiten sind eingeschränkt, und andere Teile des Körpers werden wie in einer Kettenreaktion sehr wahrscheinlich nach und nach davon betroffen sein…..Mehrere Meister haben mich schon darauf hingewiesen, dass der gesamte Hüftbereich extrem wichtig sei. Hier ist ein wichtiges Kontrollzentrum des Körpers.“

Zum Buch: Rolfing – Wie Sie Ihren Körper ins Lot bringen

Rolfing

Im Irisiana Verlag gibt es unter dem Titel „ROLFING – Wie Sie Ihren Körper ins Lot bringen“ von Peter Schwind, einem Rolfer, ein wunderbares Buch über die strukturelle Integration nach Dr. Ida Rolf.

Der Autor beschreibt wie er zum Rolfing gekommen ist. Er gibt eine solide Grundlage für das Verständnis dessen, worum es beim Rolfing geht. Das theoretische Verständnis, das auf reiner praktischer Beobachtung und Anwendung von Dr. Ida Rolf fusst: Ihrer Ansicht und den Erkenntnissen über das Bindegewebe, dem die Anatomie keine große Bedeutung beimaß.

Die zehn Grundsitzungen der Methode werden detailiert und verständlich erklärt. Dabei stellt er Konzeption, Zielsetzung, Umsetzung und Ergebnisse dar. Fallbeispiele belegen beeindruckende Ergebnisse. In bestimmten Kapiteln geht der Autor auf zeitgemäße Änderungen in den praktischen Umsetzungen und theoretischen Grundlagen ein, die durch den Wandel der Zeit und damit der Haltung des Menschen nötig geworden sind.

Dr. Ida Rolf

Was ist Rolfing ?

Rolfing, Therapiemethoden

„Rolfing ist eine manuelle Körperarbeit, die meist in einer Serie von 10 Sitzungen von einem qualifizierten Praktiker durchgeführt wird. Das Ziel ist die Maximierung des persönlichen körperlichen und geistig-seelischen Wohlbefindens. “ Quelle: http://www.rolfing.org

Rolfing, auch bekannt unter „strukturelle Integration“, geht auf die Entwicklerin der Methode Dr.Ida Rolf zurück, die die Methodik in den 1950er Jahren entwickelte. Hier geht es direkt zur Internetseite der deutschen Rolfing Gesellschaft, wo sie weitere Informationen finden.